
Welche Kanzleisoftware ist die richtige? Was muss eine Kanzleisoftware an Funktionen bieten? Und welche Tools sind auf dem Markt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unser Beitrag.
Anforderungen an eine Kanzleisoftware
Datensicherheit und DSGVO-Konformität
In einer Kanzlei fließen sensible Mandantendaten. Die Software, die diese Daten verarbeitet oder speichert muss den EU-Datenschutzrichtlinien entsprechen. Ein solides Sicherheitskonzept, das viele Softwarepakete anbieten, ist die sogenannte Zwei-Faktor-Authentifizierung und rollenbasierende Zugriffskontrollen. Regelmäßige Backups sind obligatorisch, genauso das Hosting auf zertifizierten Servern nach ISO 27001.
Benutzerfreundlichkeit
Eine weitere Anforderung an Kanzleisoftware ist Benutzerfreundlichkeit. Das bedeutet, dass die Software transparent über die Menüs geführt werden kann. Dashboards verschaffen Klarheit und Überblick und mit Schnellzugriffen können Routinefunktionen direkt ausgeführt werden. Die Benutzeroberfläche sollte sich je nach Rolle des Anwenders anpassen. So sind beispielsweise die Funktionen für die Anwälte anders freigeschalten als für das Sekretariat. Integriert in die Kanzleisoftware sollten Tutorials und Onboarding Assistenten sein, die praktische Hilfe bei Fragen bieten. Ein separater Hilfebereich mit FAQ und Suchfunktion kommen jeden Nutzer entgegen.
Mandantenverwaltung
Jede Kanzleisoftware verfügt über eine vollständige digitale Aktenführung. Diese verwaltet die Kontaktdaten, die Historie zum Mandanten und Dokumente. Fälle können mit den Mandanten verknüpft werden. Rechnungen und Fristen bezüglich eines Mandanten können ebenfalls effizient nachverfolgt und verwaltet werden. Die Kommunikation ist bestenfalls innerhalb der Kanzleisoftware möglich, so dass E-Mails empfangen und verschickt werden können. Vor allem die beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) muss möglich sein – ein Pflichtpostfach für Anwälte und Anwältinnen, die in Deutschland zugelassen sind. Es dient der sicheren Kommunikation mit Behören, Gerichte und anderen Anwälten. Das beA gewährleistet die erforderliche Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der ausgetauschten Inhalten und Dokumente.
Dokumentenmanagement
Das Dokumentenmanagement der Kanzleisoftware ermöglicht eine automatische Ablage nach Aktenzeichen oder Dokumenttyp. Verschiedene Versionen von Dokumenten sind nachvollziehbar gehalten, so dass Änderungen verfolgt werden können. Eine Volltextsuche beschleunigt das gezielte Auffinden von Dokumenten. Papierdokumente können über Scanner eingelesen und mittels OCR-Erkennung erfasst werden.
Fristen- und Terminverwaltung
Fristenlisten und Funktionen zu Wiedervorlagen und Eskalationsstufen ermöglichen es, wichtige Termine und Deadlines effizient zu organisieren und zu überwachen, um Verzögerungen oder Fehler zu vermeiden. Die Synchronisation mit Outlook oder beispielsweise Google Kalender bietet die Möglichkeit, Termine effizient zu verwalten und Fristen nahtlos in bestehende Arbeitsabläufe zu integrieren.
Zeiterfassung und Abrechnung
Zu den wesentlichen Funktionen in einer Kanzleisoftware zählt die mandatsbezogene Zeiterfassung. Einige Lösungen bieten eine Erfassung per Timer an, andere eine manuelle Erfassung. In der Software integriert sind RVG-Tabellen, womit sich Gebühren je nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetzt (RVG) automatisch berechnen lassen. So wird der Streitwert unkompliziert eingegeben und die entsprechenden Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit ausgegeben. Die RVG-Tabelle sind mit anderen Funktionen verknüpft, unter anderem mit der Rechnungserstellung und dem Zahlungsstatus. Damit wird der Abrechnungsprozess effizienter und fehlerfrei.
Schnittstellen und Integration
Damit eine nahtlose Verbindung zu externen Tools funktioniert, sind in der Kanzleisoftware Schnittstellen integriert. Beispielsweise eine DATEV-Schnittstelle, die für die Buchhaltung dient. Das beA haben wir bereits angesprochen, eine Schnittstelle, die eine sichere Kommunikation mit Behörden und Gerichten unterstützt. Eine Microsoft 365 Office Integration ist nützlich bei Datenexporten mit Zielformaten beispielsweise für Excel. Telefonanlagen übermitteln mit Hilfe einer passenden Schnittstellen Anrufprotokolle. CRM (Customer Relationship Management) und Zeiterfassungssoftware empfangen mittels API Daten aus der Kanzleisoftware. Insgesamt dienen Schnittstellen dazu, den Workflow in einer Kanzlei zu erleichtern und zu optimieren.
Cloudfähigkeit und Mobilität
Eine erweiterte Form der Zusammenarbeit wird durch Cloud-Hosting der Software möglich. Damit lässt sich auf verschiedene Endgeräten von überall aus – beispielsweise aus dem Homeoffice oder von unterwegs – zugreifen. Für Mandanten bedeutet das flexibles und vor allem sicheres hochladen von Dokumenten über das Mandantenportal, während Mitarbeiter ortsunabhängig auf relevanten Daten Zugriff haben. Gibt es eine zusätzlich Offline-Funktion, bedeutet das, dass selbst bei fehlender Internetverbindung gearbeitet werden kann und alle Änderungen bei bestehender Verbindung mit dem Tool synchronisiert werden.
Skalierbarkeit und Anpassbarkeit
Kanzleien arbeiten auf unterschiedlichen Rechtsgebieten und nicht immer muss das Tool alle Bereiche abdecken. Modular aufgebaute Kanzleisoftware lässt den Anwender den Umfang bestimmen und Module für Rechtsgebiete lassen sich einzeln integrieren und aktivieren. Damit eine Kanzlei auch übergreifend an mehreren Standorten oder international mit derselben Software arbeiten kann, ist es wichtig, dass die Software flexibel und anpassbar ist, um unterschiedliche rechtliche Anforderungen, Sprachoptionen und technische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Anwende profitieren von Funktionen, die benutzerdefinierte Elemente, Workflows oder Felder zulassen.
Support und Updates
Nach der Einführung einer neuen Kanzleisoftware sind Schulungen und Support notwendig. Persönlicher Support per Telefon, Chat oder E-Mail sollten mit im Softwarepaket für die Kanzlei dabei sein. Kanzleisoftware wird weiterentwickelt und regelmäßiges Bugfixing erfordert Updates. Communities und Foren zur Software, Webinare und Trainings unterstützen neue Mitarbeiter im Umgang mit der Kanzleisoftware.
Warum Kanzleien mit Software arbeiten
Anwender von Kanzleisoftware ziehen Nutzen aus Automatisierungen und den damit verbundenen Zeitersparnissen (bspw. Fristenkontrolle, Rechnungsstellung, etc.) Doppelte Arbeit wird durch die zentrale Datenhaltung verhindert.
Zudem werden bei der Arbeit Fehler vermieden, da Vorlagen und Checklisten für konsistente Abläufe sorgen und bei der Dateneingabe eine automatische Validierung erfolgt (z. B. bei Adressdaten, IBAN, etc.)
Die Aktionen der Anwender werden dokumentiert. Wer was geändert hat, lässt sich somit transparent nachvollziehen. Für Mandanten ist es möglich den Bearbeitungsstand einzusehen, das kann Zeit bei der Kommunikation einsparen. Interne Kommunikation selbst wird dokumentiert und archiviert.
Die Mandantenzufriedenheit steigt durch schneller Bearbeitung. Mit digitalen Services, wie Terminbuchungen online über das Mandantenportal, erhalten Mandanten einen unmittelbaren Überblick über ihre Anliegen und können effizient mit der Kanzlei kommunizieren.
Ein weiterer Vorteil bei der Arbeit mit einer Kanzleisoftware ergibt sich im Bereich Compliance und Rechtssicherheit. Aufbewahrungsfristen werden automatisch eingehalten. Die Datenverarbeitung und Dokumentation erfolgt nach DSGVO. Rechtssichere Kommunikation mit Gerichten passiert über die Integration des beA.
Rund um kann die Mandantenzufriedenheit steigen durch die transparente Kommunikation und den schnellen Zugriff auf Daten und Dokumente. Digitale Unterschriften, Online-Zahlungen und Chat-Funktionen kommen Mandanten sehr entgegen.
Funktionen einer All-in-One Kanzleisoftware im Überblick
Diese Funktionen und Möglichkeiten sollte eine All-in-One Kanzleisoftware bieten:
- Mandatsverwaltung
- Übersicht aller laufenden und abgeschlossenen Mandate
- Verknüpfung mit Dokumenten, Fristen, Rechnungen, Beteiligten
- Mandatsstatus, Priorisierung, Historie
- Dokumentenmanagement
- Automatische Ablage nach Aktenzeichen und Dokumenttyp
- Volltextsuche über alle Dokumente und E-Mails
- Integration mit Microsoft Word, PDF-Editoren
- Kommunikation
- E-Mail-Client mit Mandatsverknüpfung
- beA-Integration für gerichtliche Kommunikation
- Mandantenportal mit Chat, Upload-Funktion, Statusanzeige
- Zeiterfassung & Abrechnung
- Zeiterfassung per Klick, Kalender oder Mobilgerät
- RVG-Abrechnung mit Streitwertrechner
- Rechnungsstellung, Mahnwesen, Zahlungsübersicht
- Fristen- und Terminmanagement
- Automatische Fristenerkennung aus beA-Nachrichten
- Wiedervorlagen, Eskalationsstufen, Kalenderintegration
- Teamkalender, Ressourcenplanung
- Workflows & Automatisierung
- Automatische Aktenanlage bei neuen Mandanten
- Serienbriefe, E-Mail-Vorlagen, Aufgabenlisten
- Workflow-Designer für individuelle Prozesse
- Statistiken & Controlling
- Umsatz pro Mandat, Mitarbeiter, Rechtsgebiet
- Auslastung, Mandatsentwicklung, Erfolgsquote
- Export für Steuerberater oder DATEV
- Mobile Nutzung
- App für iOS/Android mit Zugriff auf Akten, Kalender, Kommunikation
- Push-Benachrichtigungen für Fristen und Nachrichten
- Offline-Zugriff mit Synchronisation
- Schnittstellen
- DATEV, Microsoft 365, beA, DMS, CRM-Systeme
- API für individuelle Erweiterungen
- Telefonanlagen, Zeiterfassungstools, E-Signaturdienste
Marktüberblick: Gängige Kanzleisoftware
1. RA-MICRO: Ist modular strukturiert und äußerst umfangreich. Die Integration mit beA, DATEV und MS Office ist gut ausgebaut. Versionen für Cloud- bzw. Desktopnutzung sind verfügbar. RA-MICRO ist geeignet für größere Kanzleien mit komplexen Anforderungen.
2. Advoware: Eignet sich für kleinere und mittlere Kanzleien. Die einfach Bedienung und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis, sprich für die Software. Das Tool ist cloudfähig und wird regelmäßige mit Updates versorgt. beA und E-Mail-Kommunikation sind integriert.
3. AnNoText: Punktet mit hoher Flexibilität und Anpassbarkeit und ist ideal für Großkanzleien. Das Dokumentenmanagement präsentiert sich leistungsstark. Die Software arbeitet mit Wolters Kluwer Datenbanken. Vor allem geeignet ist das Tool für Notariate und komplexe Mandatsstrukturen.
4. Legalvisio: Diese Software nutzt moderne Cloudlösungen und setzt den Fokus auf Mobilität. Ein Mandantenportal steht zur Verfügung, zudem Funktionen zur Zeiterfassung, die beA-Integration ist vorhanden. Legalvisio eignet sich für digital affine Kanzleien. Die Software wird mit regelmäßigen Upates versorgt und verfügt über eine intuitive Benutzeroberfläche.
5. Juratex: Zeigt sich kompakt und kostengünstig. Damit eignet sich Juratex für Einzelanwälte und kleine Kanzleien. Basisfunktionen für die Aktenverwaltung sind vorhanden, des Weiteren Funktionen für Fristen und Rechnungen. Da Juratex weniger komplex ist, ist es schnell einsatzbereit.
(Bildquelle: Pixabay.com – CC0 Public Domain)